Der Volkstrauertag
Der Volkstrauertag ist in Deutschland ein staatlicher Gedenktag und gehört zu den sogenannten stillen Tagen. Der Gedenktag wird seit 1952 zwei Sonntage vor dem ersten Adventssonntag begangen. Eine Zeremonie im Deutschen Bundestag erinnert an die Opfer von Gewalt und Krieg aller Nationen.
Geschichte
Der Volkstrauertag wurde 1919 vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge als Gedenktag für die gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkriegs vorgeschlagen. Am 5. März 1922 fand die erste Gedenkstunde im Reichstag statt. Der Volkstrauertag wurde erstmals am 1. März 1925 begangen. Am Vortag war der erste Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben. Am 10. Juni 1925 nahm der Reichstag formal den Antrag auf gesetzliche Erklärung des Sonntags Invocavit zum »Volkstrauertag für die im Weltkriege Gefallenen« an. 1926 wurde dann entschieden, den Volkstrauertag regelmäßig am Sonntag Reminiscere (fünfter Sonntag vor Ostern) zu begehen. Überall fanden Gedenkfeiern für die deutschen Gefallenen des Ersten Weltkriegs statt. Die Cellesche Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 27. Februar 1926:
»Volkstrauertag! Der erste deutsche Volkstrauertag soll in erster Linie dem Ehrengedenken unserer im Weltkriege gefallenen Väter, Brüder und Söhne gewidmet sein. Es ist nur zu wünschen, dass sich diese ernste Feier recht tief und fest und feierlich, auch ohne viele Reden und Gesänge, aus dem ureigenen deutschen und menschlichen Empfinden heraus geltend macht in den Herzen des ganzen Volkes.«
Gedenkfeier vor dem Reichstag, 1927: »Der große Volkstrauertag am 13. März 1927 vor dem Reichstag fand unter reger Anteilnahme der Bevölkerung statt. Reichspräsident von Hindenburg schreitet die Front der Ehrenkompanie ab.«
Quelle: Bundesarchiv, Bild 102-03941 / CC-BY-SA 3.0
In der Weimarer Republik wurde der Volkstrauertag nicht zum gesetzlichen Feiertag erklärt. Dies hatte mehrere Ursachen:
• In der Weimarer Verfassung war nicht klar definiert, ob die Zuständigkeit für die Einführung gesetzlicher Feiertage beim Reich
oder bei den Ländern lag. Dies führte im Laufe der Jahre zu unterschiedlichen Regelungen, Terminen und Durchführungen je nach
Land.
• Hinsichtlich des Termins gab es lange Zeit Konflikte mit den beiden großen Kirchen. Beide haben im November Gedenktage für die
Verstorbenen (Allerseelen und Totensonntag). Die von staatlicher Seite vorgeschlagenen Termine im Frühjahr am Sonntag
Invocavit (sechs Wochen vor Ostern) oder am Sonntag Reminiscere (fünf Wochen vor Ostern) lagen dagegen in der Fastenzeit bzw.
Passionszeit.
• Die politische Instabilität der Weimarer Republik sorgte dafür, dass einige Versuche, den Volkstrauertag gesetzlich zu regeln, im
Gesetzgebungsprozess stecken blieben, da der Reichstag mehrmals vorzeitig aufgelöst wurde.
Am 9. November 1930 rief die NSDAP im Volksstaat Hessen zum »Trauertag für unsere Gefallenen« auf. Gemeint waren freilich vornehmlich die Opfer des niedergeschlagenen Hitlerputsches am 9. November 1923.
Diskussion über den Sinn
Der Volksbund verband mit dem Volkstrauertag die Zielvorstellung, eine bei allen Deutschen einheitliche Erinnerung an das Leid des Krieges zu bewirken und so die Deutschen „über die Schranken der Partei, der Religion und der sozialen Stellung zusammen[zu]führen […], auf daß aus den Gräbern unserer fast zwei Millionen Gefallener uns Mut und Kraft zu segensreicher Arbeit an unseres Volkes und unseres Vaterlandes Zukunft erwachsen [kann].“ Viele Redner und Kommentatoren knüpften anlässlich des Volkstrauertages an die »Burgfriedenspolitik« und das euphorische „Augusterlebnis“ zu Beginn des Ersten Weltkrieges an: »Was wußten sie von Klassenhaß, der heute unser Volk zerfleischt? Nicht rechts, nicht links gerichtet waren sie, sondern alle nur deutsche Brüder.« In Erinnerung an den Krieg sollte neben dem Appell an die Einigkeit des Volkes auch die Botschaft vermittelt werden, dass es nun gelte, alles für das Wohl Deutschlands zu opfern und seine eigenen Ansprüche zurückzustellen. So sprach der Hamburger Pastor Jähnisch auf der zentralen Gedenkfeier auf dem Ohlsdorfer Friedhof 1926: »Unsere Toten mahnen. Und darauf kommt es an. Horche jeder auf den Geist der Toten und bekenne sich zu ihnen: Selber riefst du einst in Kugelgüssen: Deutschland muß leben und wenn wir sterben müssen!«
Heldengedenktag in der Zeit des Nationalsozialismus
Heldengedenktag 1935 in Berlin, Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-2005-1017-523 / CC-BY-SA 3.0
Nach dem Tod des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg am 2. August 1934 übernahmen die Nationalsozialisten den Volkstrauertag und legten ihn als staatlichen Feiertag am zweiten Fastensonntag fest. Durch direkte Intervention des Präsidenten des Volksbundes, Siegfried Emmo Eulen, bei Propagandaminister Joseph Goebbels wurde der Volkstrauertag 1934 in Heldengedenktag umbenannt und sein Charakter vollständig geändert: Nicht mehr Totengedenken sollte im Mittelpunkt stehen, sondern Heldenverehrung. Träger waren die Wehrmacht und die NSDAP. Die Flaggen wurden nicht mehr wie bislang auf halbmast gehisst, sondern vollstock gesetzt. Goebbels erließ die Richtlinien über Inhalt und Durchführung. Die Propagandawirkung des Tages wurde so hoch eingeschätzt, dass alle entscheidenden Schritte der Kriegsvorbereitung bis einschließlich 1939 auf ein Datum in unmittelbarer Nähe zum Heldengedenktag gelegt wurden:
Am 25. Februar 1939 verlegte Hitler per Erlass den Heldengedenktag auf den 16. März, den Tag der Wiedereinführung der Wehrpflicht 1935, wenn dieser Tag auf einen Sonntag fiel, andernfalls sollte er am Sonntag vor dem 16. März begangen werden. Damit wurde die Bindung an den kirchlichen Kalender aufgegeben.
Bundesrepublik Deutschland
Gedenkstunde zum Volkstrauertag am 15. November 2015 in der Kirchenruine Alt St. Alban, Köln
Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
1950 fand die erste zentrale Veranstaltung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge im Bundestag in Bonn statt. Der fehlenden ausdrücklichen Regelung entsprechend vage und veränderlich blieben die Inhalte des Volkstrauertags im Laufe der Zeit. Neben den gefallenen Soldaten rückten immer mehr die Opfer des Nationalsozialismus in den Mittelpunkt des Gedenkens. Schließlich spielten aktuelle Bezüge vermehrt eine Rolle. Der offizielle Festakt der Bundesregierung im Jahre 1987 gedachte ganz allgemein der Opfer von Krieg, Gewalt-herrschaft und Terrorismus.
Gedenken der Kriegstoten in anderen Ländern
Großbritannien und Commonwealth of Nations
Im britischen Empire wurde nach dem Ersten Weltkrieg ein nationaler Gedenktag, der 11. November, eingeführt, der von den meisten Commonwealth-Staaten beibehalten wird. Er wird Remembrance Day oder auch Armistice Day (deutsch: Waffenstillstandstag) genannt, weil am Ende des Ersten Weltkrieges der Waffenstillstand von Compiègne besagte, dass die Kriegshandlungen am »elften Tag des elften Monats um elf Uhr« enden sollten. In Großbritannien wird das Remembrance Day Weekend begangen. Am 11. November werden zwei Schweigeminuten gehalten. Am nächstgelegenen Sonntag legt das Staats-oberhaupt in Gegenwart des Premierministers sowie von Veteranen am Kenotaph einen Strauß mit Mohnblumen nieder. Künstliche Mohnblumen zum Anstecken, sogenannte Remembrance Poppies („Erinnerungs-Mohnblumen“), werden durch Helfer des Veteranenverbandes der Royal British Legion verkauft und getragen. Die Mohnblume (englisch poppy) soll – in Anlehnung an das Gedicht In Flanders Fields des Kanadiers John McCrae – an die vom Blut der Soldaten des Ersten Weltkrieges geröteten Felder Flanderns erinnern, weshalb der Gedenktag auch Poppy Day genannt wird. In London werden in der Nacht zu diesem Sonntag öffentliche Gebäude rot angestrahlt.
In Belgien und Frankreich
ist der 11. November ein arbeitsfreier Gedenktag. Es ist der Waffenstillstandstag zur Erinnerung an das Ende des Ersten Weltkrieges.
In den Niederlanden
ist der 4. Mai der Nationale Dodenherdenking, an dem der Toten des Zweiten Weltkrieges sowie späterer Militäroperationen gedacht wird (u. a. die Einsätze der UN-Friedenstruppen). Dabei kommt König Willem-Alexander mit Mitgliedern seiner Familie und der Regierung nach Amsterdam, wo nach zwei – im ganzen Land zu beachtenden - Schweigeminuten von 20:00 bis 20:02 Uhr eine Kranzniederlegung stattfindet. Daneben wird in den Niederlanden der 5. Mai als Nationalfeiertag der Befreiung (am 5. Mai 1945) begangen.
In Israel
wird alljährlich an Jom haZikaron im April/Mai, nach jüdischem Kalender am 4. Ijjar, der gefallenen israelischen Soldaten sowie der Opfer des Terrorismus gedacht.
In Österreich
wird am 1. November zu Allerheiligen an den Kriegerdenkmälern der Toten der beiden Weltkriege gedacht, wobei aber das offizielle Gedenken am Nationalfeiertag, dem 26. Oktober durch die Bundesregierung durch eine Kranzniederlegung beim Äußeren Burgtor erfolgt.
In den USA
wird der letzte Montag im Mai als Memorial Day begangen. Der am 11. November als Veterans Day begangene Tag hingegen dient der Erinnerung und Würdigung der überlebenden Soldaten der Weltkriege.
In Kanada
wird der Toten am Nationalen Kriegsdenkmal (National War memorial) auf dem Confederation Square in Ottawa gedacht. In den Wochen vor dem Remembrance Day verteilen Helfer und Mitglieder des Veteranenverbandes der Royal Canadian Legion gegen eine Spende künstliche Mohnblumen zum Anstecken, die von sehr vielen Kanadiern getragen werden. Die Schlacht bei Arras während des Ersten Weltkriegs gilt als inoffizielle Geburtsstunde Kanadas. In vielen Provinzen ist der 11. November ein Feiertag.
In Südafrika
wird der Toten am Sonntag nach dem 11. November am Kenotaph in Johannesburg und in der Hauptstadt Pretoria gedacht.
In Australien und Neuseeland
wird ebenfalls am 11. November der Toten gedacht. Außerdem wird am 25. April, dem Jahrestag der Landung auf der türkischen Halbinsel Gallipoli im Jahr 1915, der ANZAC Day begangen.
Russland, Belarus, Ukraine
In Russland, Belarus und der Ukraine wird alljährlich am 22. Juni mit dem Tag der Erinnerung und der Trauer (Russland), bzw. dem „Tag des allgemeinen Gedenkens an die Opfer des Großen Vaterländischen Krieges“ (Belarus), bzw. dem „Tag der Trauer und des Gedenkens an die Kriegstoten“ (Ukraine) der nach vorherrschender Schätzung ca. 27 Millionen sowjetischer Opfer (davon ca. 11 Millionen Soldaten und ca. 16 Millionen Zivilisten oder ca. 14 % der Vorkriegsbevölkerung; kein anderes Land hat während des Zweiten Weltkriegs mehr Soldaten und Zivilisten verloren) des Deutsch-Sowjetischen Krieges 1941 bis 1945 gedacht. Der Tag erinnert an den 22. Juni 1941, den Tag, an dem die Wehrmacht und ihre Verbündeten Truppen um 3 Uhr früh ihren Angriff auf die Sowjetunion begannen. An diesem Tag werden an den Kriegerdenkmälern und auf den Ehrenfriedhöfen Gedenkzeremonien abgehalten, die Nationalflagge wird gesenkt und der Staatliche Rundfunk überträgt keine Unterhaltungssendungen.
Quelle: wikipedia.de
Mögliche Fragestellungen:
• Wie erinnern und gedenken andere Nationen ihrer gefallenen Soldaten und zivilen Opfern?
• Vergleiche den deutschen Ritus mit den anderen? Was fällt Dir dabei auf?
• Lies das Totengedenken? Was fällt Dir dabei auf?