Zwangsarbeit in lebach

Zwangsarbeit ist Arbeit, die mit Zwang unter Androhung von Strafe verlangt wird. Im Nationalsozialismus umfasst sie über 13 Millionen ausländische KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene und verschleppte „zivile“ Arbeitskräfte in Deutschland. Zwangsarbeit gab es auch in Ghettos, Arbeitserziehungslagern und anderen Lagern im gesamten besetzten Europa und betraf etwa 20 Millionen Menschen, darunter auch deutsche Juden und Häftlinge. Überall wurden Zwangsarbeiter eingesetzt – in Rüstungsbetrieben, auf Baustellen, in der Landwirtschaft, im Handwerk oder in Privathaushalten.

Mit keinem anderen nationalsozialistischen Verbrechen waren derart viele Menschen persönlich konfrontiert – als Opfer, Täter oder Zuschauer. Jeder ist ihnen begegnet. In Lebach war eine Gruppe von Zwangsarbeitern in der Nähe der ehemaligen Jean-Kladen-Mühle, Bereich heutige Poststraße, inhaftiert. Diese Kriegsgefangenen wurden für Straßenausbesserungs- und Bauarbeiten zwischen Tanneck und Niedersaubach eingesetzt. Zeitzeugen erinnern sich an die Elendsgestalten, die sich täglich als Kolonne durch die Straßen schleppten und versuchten, Brocken aus abkühlenden Kesseln mit Schweinefutter zu ergattern, was vom Wachpersonal manchmal geduldet wurde.

Ukrainische Zwangsarbeiterinnen bei der Feldarbeit in Saarbrücken-Fechingen, Landesarchiv, Nachlass Julius Walter

die sklaven der deutschen

Kriegsgefangene und Zivilpersonen

Am 1. Dezember 1941 registrierte die polizeiliche Meldestatistik im alten Landkreis St. Wendel zuzüglich Amt Tholey und ohne Amt Namborn, 156 Ausländer und Ausländerinnen. Am 1. Juni 1944 waren es 1.338 – eine Steigerung um mehr als das Achtfache. Ab Ende 1942 kam der mit Abstand größte Teil dieser Ausländer und Ausländerinnen aus der Sowjetunion. Ihre Zahl stieg von 1 am 1. Juni 1942 auf 510 am 1. Dezember 1942, auf 602 am 1. Juni 1943, auf 1.074 am 1. Dezember 1943 bis auf 1.081 am 1. Juni 1944 – 80 Prozent aller im Kreis polizeilich gemeldeten Ausländer und Ausländerinnen.12 Nach einer Verordnung des Generalbevollmächtigten

für den Arbeitseinsatz mussten alle im Reichsgebiet tätigen ausländischen Zivil-Arbeitskräfte ab 1. Mai 1943 Arbeitsbücher führen –

auch die »Ostarbeiter«. Das Arbeitsamt Neunkirchen für die Kreise Ottweiler und St. Wendel zählte daraufhin erstmals in seiner Arbeitsbuch-Statistik vom 15. Mai 1943 die Ausländer mit, ohne sie aber nach Nationalitäten aufzuschlüsseln. Danach waren an diesem Stichtag 4.431 von 48.527 Beschäftigten Ausländer. Am 12. August 1943 waren es 5.591 von 50.653, am 15. August 1944 6.237 von 47.796 und am 15. Februar 1945 5.890 von 44.716. Mit rund 12,6 Prozent erreichte der Anteil ausländischer Beschäftigter

beim Arbeitsamt Neunkirchen am 15. Mai 1944 seinen Höchststand. Veranschlagen wir die Beschäftigten der Arbeitsamts-

Nebenstelle St. Wendel mit 50 Prozent, ergibt sich hier für den Zeitraum Februar 1942 bis Februar 1945 eine durchschnittliche Ausländerzahl von 2.574. Rund 10,7 Prozent der Beschäftigten hier wären danach ausländische zivile Arbeitskräfte überwiegend aus der Sowjetunion gewesen. In einzelnen Branchen lag der Prozentsatz jedoch wesentlich höher. Nach Listen, die 1946/47 auf Anordnung der französischen Besatzungsmacht erstellt wurden, waren während des Krieges allein in St. Wendel-Stadt 1.429 ausländische Arbeitskräfte im Einsatz – nicht alle gleichzeitig, sondern in unterschiedlichen Zeitabschnitten. 317 von ihnen waren

Kriegsgefangene, 1.112 Zivilpersonen. Nach Staatsangehörigkeit verteilten sie sich wie folgt: Niederlande 2, ehemaliges Jugoslawien 5, Belgien 8, Luxemburg 11, Polen 86, Italien 210, Frankreich 226 und Sowjetunion 871.

Der Kreis St. Wendel lag im Einzugsbereich zweier großer Kriegsgefangenenlager des Wehrkreises XII: des Mannschafts-Stammlagers (Stalag) XII D in Trier und des Stalag XII F in Forbach/Bolchen (Boulay). Auffallend ist, dass im Trierer Lager die französischen Kriegsgefangenen, im Lager Forbach die sowjetischen die stärkste Gruppe bildeten. Das Stalag XII D verzeichnete am 1. Oktober

1943 seine Höchstbelegung: 45.167 Gefangene insgesamt, davon 23.418 aus Frankreich, 652 aus Polen, 15.368 aus Italien, 3.321 aus Südosteuropa und 2.180 aus der Sowjetunion. Das Stalag XII F in Forbach erreichte seinen Höchststand am 1. September 1944, als von 78.705 Gefangenen 16.405 aus Frankreich, 2.741 aus Polen, 22.162 aus Italien, 5.256 aus Südosteuropa und 31.017 aus der Sowjetunion kamen. 

Kriegsgefangene waren nach den KZ-Häftlingen die billigsten Arbeitskräfte, sowjetische billigere als die italienischen und französischen. Aus welchen Stalags die kriegsgefangenen Zwangsarbeiter im Kreis St. Wendel überwiegend kamen und wie viele jeweils, ließ sich nicht feststellen. Löhne und Stalag-Anteile (an die Wehrmacht zu zahlende Miete für Kriegsgefangene) entrichtete

das Gauarbeitsamt Westmark seinem Hauptbuch Auszahlung zufolge ab April 1944 nur an das Stalag XII F Forbach – insgesamt 6.452 Reichsmark.

Quelle: Die Nazis aus der Nähe. Im Mikrokosmos der Hitler-Diktatur – Eine Spurensuche im St. Wendeler Land. Edition Schaumberg, Marpingen, 2014, S. 384f.