Zwangsarbeiter und ausländische Kriegsgefangene in Lebach [von Thomas Rückher]

Die Geschichtsschreibung hat sich erst relativ spät mit diesem speziellen und sensiblen Thema befasst. Auch für Lebach handelt es sich um einen Gegenstand, der nur in Ansätzen historisch aufgearbeitet ist. Dabei handelte es sich während des Krieges im gesamten Deutschen Reich bei den Kriegsgefangenen um Millionen Menschen, deren Zahl vielleicht nie ganz exakt zu erfassen sein wird. Die eingesetzten Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen waren teilweise Kriegsgefangene; viele wurden mit falschen Versprechungen, z. B. einer qualifizierten Ausbildung, zur Arbeit nach Deutschland gelockt, um dann unter Zwang und unwürdigen Umständen schuften zu müssen. Eine Unzahl Menschen wurde wohl einfach nur in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten geraubt und zwangsweise nach Deutschland verbracht. Allein von ca. drei Millionen kriegsgefangenen Russen starben etwa eine Million während der Gefangenschaft, sie wurden oft aus dem ideologischen Überlegenheitsrassenwahn bewusst dem Hungertod überlassen. Die Überlebenden wurden dann nach ihrer Repatriierung in der Regel weiteren Verfolgungen und Inhaftierungen ausgesetzt, da das stalinistische System in ihnen nur Verräter und Kollaborateure sah. 

Aber warum kam das Thema Zwangsarbeiter und ausländische Kriegsgefangene erst relativ spät in das Blickfeld der heutigen Öffentlichkeit? Zunächst waren nach dem allmählich erfolgten Rücktransport der ausländischen Kriegsgefangenen in den ersten Jahren der Nachkriegszeit diese als Menschen nicht mehr im alltäglichen Wahrnehmungsbereich. Die oft ebenfalls schrecklichen Erlebnisse deutscher Soldaten in alliierter Gefangenschaft drängten sich für die Familien in den Vordergrund, die Verluste bzw. Kriegsfolgeleiden von Personen in den eigenen Familien dominierten im Alltag. Der eine oder andere ausländische Kriegsgefangene oder die zur Zwangsarbeit eingesetzte Frau, welche nicht in ihre Heimat zurückkehrten, wollten wahrscheinlich einfach nur in Ruhe leben und die eigene Lebensgeschichte nach ihrer »Entlassung« vielleicht nicht zur Ursache eines Konflikts mit der jetzigen neuen sozialen Umgebung werden lassen. 

Die Begegnung mit den »Gefangenen« wurde besonders nach dem Beginn des Russlandkrieges auch in Lebach merkwürdig fremd und zugleich alltäglich. Oft war es für Hiesige nicht zu unterscheiden, ob der »Gefangene« ursprünglich als Soldat in seine Situation gelangt war, ob er oder sie unter in der Regel falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt oder als Zivilist zwangsweise hierher verschleppt worden war. Allein die Sprachbarrieren sorgten für Fremdheit. Andererseits waren bedingt durch die steigende Zahl der einberufenen deutschen Männer und die Erfordernisse der Kriegswirtschaft immer mehr Gefangene oder Zwangsarbeiter im Arbeitseinsatz und so im Alltag nicht zu übersehen. Hier in Lebach und den umliegenden Orten war dies vor allem der Einsatz in der Landwirtschaft, aber auch im Straßenbau oder bei Reparatur- und Aufräumungsarbeiten nach Fliegerangriffen. Die überwiegende Zahl der so Eingesetzten kam aus den ost- bzw. südosteuropäischen Ländern, gegen Ende des Krieges gab es aber auch italienische Kriegsgefangene in Lebach. 

Die Unterbringung dieser Menschen während des Krieges war unterschiedlich. Teilweise lebten sie bei den Familien, wo sie zur Arbeit eingeteilt waren. Hierbei kam es zu ganz verschiedenen, gegensätzlichen Verhältnissen: Während im einen Haushalt der »Gefangene« in der Familie ohne Diskriminierungen aufgenommen wurde, was offiziell seitens des Dritten Reiches strikt verboten war, gab es auch alle denkbaren Abstufungen zu einem distanzierten, zurückweisenden bis hin zum ausbeuterischen und inhumanen Verhalten. Während der eine das Haus »seiner« deutschen Familie während der Kampfhandlungen gegen Ende des Krieges vor dem Einmarsch der Amerikaner in unserer Gegend bewachte, gab es bei anderen nach dem Krieg auch Rachehandlungen. 

Haus in Aschbach. In den vergitterten Räumen sollen Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter untergebracht gewesen sein. 

Archiv: Thomas Rückher