Die Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen oder kurz UNRRA von engl. United Nations Relief and Rehabilitation Administration war eine Hilfsorganisation, die bereits während des Zweiten Weltkrieges am 9. November 1943 auf Initiative der USA, der Sowjetunion, Großbritanniens und Chinas gegründet wurde. Nach Kriegsende wurde sie von der UNO übernommen. Die UNRRA war in Europa bis zum 31. Dezember 1946 tätig und wurde dann durch die International Refugee Organization ersetzt. In Afrika, im Nahen Osten und China arbeitete sie bis zum 30. Juni 1947.
Hauptaufgabe der UNRRA war die Unterstützung der Militäradministration bei der Repatriierung der sogenannten Displaced Persons (DP bzw. DPs). Der UNRRA kam dabei die Aufgabe zu, die DP-Lager in den befreiten Gebieten zu betreuen. Für jedes Lager war ein UNRRA-Team zuständig, das der örtlichen Militärkommandantur unterstellt war. Die UNRRA ihrerseits war in den Lagern den nichtmilitärischen Hilfsorganisationen gegenüber, wie dem Roten Kreuz oder dem Joint Distribution Committee weisungsberechtigt.
Als Hauptquartier für die Amerikanische Besatzungszone diente der UNRRA seit November 1945 das Gebäude des heutigen Karlsgymnasium München-Pasing und die nahegelegene Lehrerbildungsanstalt Pasing. In der Nähe von Köln (britische Besatzungszone) richtete die UNRRA im ehemaligen Kloster, Arbeitslager, KZ und Gestapogefängnis Brauweiler (jetzt Ortsteil von Pulheim) ein offenes Lager für DPs ein, das mindestens bis 1948 bestand.
Nachdem das Ziel der Repatriierung aller DPs bis 1947 nicht vollständig erreicht werden konnte, wurde die UNRRA aufgelöst. Obwohl die überwiegende Mehrzahl der Betroffenen repatriiert werden konnte, wurde der UNRRA von mehreren Seiten Erfolglosigkeit vorgeworfen.
Ihre Nachfolgeorganisation IRO verfolgte das Ziel, die nicht repatriierten DPs in anderen Ländern, wie z. B. Australien, Kanada oder Palästina, anzusiedeln oder in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Dieser Ansatz wurde als Resettlement bezeichnet.
Unmittelbar nach dem Krieg wurden vorerst nur Flüchtlinge oder KZ-Opfer aus anderen Ländern versorgt. Österreichbeispielsweise erhielt erst nach dem Antrag des alliierten Kontrollrates während der Zeit vom 8. Februar 1946 bis 30. Juni 1947 Lebensmittel und Bekleidung aus dieser Hilfsaktion. Dies sicherte insbesondere während des harten Winters 1946/47 vielen Menschen das Überleben. Auch Saatgut, wie Weizen aus den USA oder Roggen aus der UdSSR wurde verteilt. Diese Hilfsaktion wurde später durch ERP und CARE abgelöst.
Aber auch Fahrzeuge, die aus Kriegszeiten übrig blieben, speziell vom amerikanischen Militär, wurden im Land verteilt. So wurden vielfach bei den Feuerwehren die ersten Fahrzeuge nach dem Krieg aus solchen Fahrzeugen umgebaut, die teilweise bis in die 1960er ihren Dienst versehen mussten, da die Fahrzeuge der Feuerwehr während des Krieges großteils beschlagnahmt wurden.
Die Weltflüchtlingsorganisation UNRRA konnte ihren Versorgungsauftrag für Tausende verschleppter Personen – DPs in Lebach gleich nach den Kampfhandlungen nur mit Hilfe von eigenen »Camions« erfüllen. Ihre Lastkraftwagenfahrer brachten täglich vom belgischen Hafen Antwerpen Lebensmittel und Hilfsgüter heran. Einer von ihnen, Anton Hanusek (CSR), Ingenieur für Bergbautechnik, wurde später in die UNRRA-Dienste als Offizier und Werkstattleiter übernommen. Er heiratete Gerda Graf aus Lebach und arbeitete im Saar- und Ruhrbergbau.
(Zeitzeuge Klaus Altmeyer)
»Sammellager für ausländische Arbeiter Kaserne Lebach«
UNRRA Team 15 Lebach in Aktion (April 1945 bis März 1947)
Auf alliierter Seite schließen sich bereits im November 1944 einundvierzig Staaten zusammen, um den Flüchtlingen des Zweiten Weltkrieges zu helfen. So entsteht die erste Hilfsorganisation der Vereinten Nationen, und zwar die United Nations Relief and Rehabilitation Administration = UNRRA. Ihre erste Aufgabe im Deutschland von 1945: Sieben Millionen Zwangsarbeiter aus Ost- und Westeuropa und ehemalige Kriegsgefangene in den westlichen Besatzungszonen zu erfassen, zu versorgen und ihre Heimführung zu veranlassen. Eine riesige Anstrengung wird von ihr in einem zerstörten Land verlangt und dies bei unzureichenden Verkehrsverbindungen und hochgradigen Zerstörungen in Stadt und Land.
Am 18. März 1945 rücken US-Soldaten der 70. Division in Lebach ein. Die Wehrmacht räumt zuvor den Hauptverbandsplatz in den Kasernen in der Dillinger Straße. Die Einheiten der XV. US-Armee, die dem Detachment von Captain Hamillton in Saarlautern (offizielle Bezeichnung für Saarlouis von 1935 bis Juli 1945) richten sich in Lebach in den Schulen und im Saal Zur Traube ein. Auf Weisung der Militärs finden sich aus der nahen und weiteren Umgebung die alliierten Staatsangehörigen ein, die von der Zwangsverpflichtung befreit sind. Es sind dies Polen, Ukrainer, russische Kriegsgefangene, internierte Italiener, Franzosen und Belgier. Anfang April kommen so über 3.000 verschleppte Personen in den Lebacher Kasernen zusammen. Ihre Situation voller Drangsal und Not wandelt sich mit einem Schlag, sie sind nun auf der Seite der Sieger und haben ihre Leiden noch in frischer Erinnerung. Sie stehen als Displaced Persons = DPs unter dem Schutz der US Soldaten und in der Obhut von UNRRA Team 15, welche die Betreuung übernimmt.
Mitten in den Wirren der direkten Nachkriegslage bedeutet eine so große unkontrollierbare Menschenansammlung am Ende der Dillinger Straße Schwierigkeiten für die US-Besatzungstruppe und eine bedrohliche Situation für die Bewohner der umliegenden Ortschaften. Auch die DPs müssen das nächtliche Ausgehverbot einhalten und alle Waffen abliefern. Dies verhindert allerdings die Übergriffe einzelner Gruppen nicht, deren Tun die Bevölkerung überaus beunruhigt. Einige dieser Vorkommnisse haften lange in der Erinnerung. In Niedersaubach wird am 6. Juni 1945 der schwerhörige Landwirt Johann Riehm (66 Jahre) am helllichten Tag in seiner Wohnung von Plünderern erschossen. Zwei Tage später werden in Knorscheid um 2 Uhr nachts Margarete Schäfer (43 Jahre) und ihre fünfjährige Tochter Maria gewaltsam überfallen und erschlagen. Anfang Juli verhindern drei beherzte junge Männer – Hans Schäfer, Peter Bauer und Erwin Schweitzer – einen nächtlichen Überfall auf Jabacher Bauernhöfe, in direkter Nähe des Lagers. Sie werden darauf von der polnischen Lagerwache gefangen genommen und drei Tage lang im Wachlokal drangsaliert. Amerikanische bzw. ab Juli französische Truppenkommandeure müssen zur Klärung der Lage mehrfach eingreifen.
Eine Rückkehr zu erträglichen Verhältnissen wird schließlich dadurch möglich, dass das Lager für ausländische Arbeiter hauptsächlich mit Polen (kath.) und West-Ukrainern (russ.-orthodox) wird und die Insassen sich eine eigenständige Organisation geben. »Obosz Polski Wolnoc, Lebach« = Polnisches Lager Freiheit. Nach den turbulenten Anfangswochen kann UNRRA-Team 15 ohne weitere Störungen seine Betreuung bis März 1947 fortsetzen. Der Teamchef Major Edwards (GB) wird dabei assistiert von Dr. med. Bollaert (B), Hauptfürsorge Offizier Elisabeth Dingle (GB), den Capitainen Madec (F) und Bond (USA), Leutnant und Werkstattleiter Dipl. Ing. Anton Hanusek (CSR) sowie weiteren dreißig Mitarbeitern. Die Offiziere wohnen zumeist in requirierten Wohnungen in Lebach, sie treffen sich außerdienstlich im UNRRA Casino, Gasthaus Schwinn (Tholeyer Straße). Die rund 2.800 polnischen Lagerinsassen organisieren sich unter ihrem Kommandanten J. Hemmerling, der auch mit Genehmigung der deutschen Behörde ab Januar 1946 die Aufgabe eines Standesbeamten übernimmt.
Verschiedene Aktivitäten entfalten die Bewohner des Polnish Camp. Der Kindergarten und die Kinderkrippe unterstehen der Leitung von Miss Dingle, die auch die Organisation des Lagerkrankenhauses besorgt. Handwerkliche Ausbildungskurse für Männer und Frauen werden angeboten. Die religiöse Betreuung erfolgt anfänglich durch die Geistlichen der Pfarrei Lebach, hauptsächlich durch Kaplan Hubert Stockhausen. Insgesamt 56 kirchliche Eheschließungen zwischen Lagerbewohnern in der als Notkirche eingerichteten ehemaligen Reithalle nimmt der Kaplan unter Assistenz der Messdiener Richard Kallenborn, Willi Löw u.a. vom Mai bis Juli 1945 vor. Während ihrer Zwangsarbeiterzeit ist Heiraten nämlich verboten. Kontakte zu den Einwohnern ringsum bleiben eher gering, sie beschränken sich auf Tauschhandel oder Schwarzmarkt. Verschiedentlich behalten einzelne DPs den Kontakt mit ihren bisherigen Arbeitgebern wie Landwirten oder Haushalten. Sie melden sich einmal im Monat bei der UNRRA, um die zusätzlichen Rationen und Ausrüstungen abzuholen.
Große Anstrengungen unternimmt die Lagerleitung, die Insassen zur Heimkehr in ihr Land zu bewegen Der Erfolg bleibt allerdings gering. Anfangs verhindern die zerstörten Transportwege die Heimkehrpläne. Die polnischen DPs folgen eher den Weisungen der Londoner Exilregierung, die vor der kommunistischen Regierung in Warschau warnen und zuerst freie Wahlen im Lande fordern. Andere rechnen sich Chancen aus, nach Nord- oder Südamerika oder gar nach Australien auswandern zu können, wo kundige Landarbeiter und geschulte Techniker gefragt sind. So bleibt die Lagerbelegung lange bei 2.800. Im Herbst 1946 veranlassen Mitglieder der Militärmission in Baden-Baden die geschlossene Rückführung, allerdings mit unbekannten Ziel, von 800 Ukrainern. Die ca. 2.000 polnischen DPs aber bleiben noch bis März 1947. Einzelne gründen Existenzen und Familien in Deutschland. Zu den direkten Vorkehrungen für den wirtschaftlichen Anschluss des Saarlandes 1947 zählt auch die Übersiedlung der beiden UNRRA Lager in Lebach und Homburg in andere Teile der nordfranzösischen Zone. UNRRA-Team 15 wird aufgelöst und seine DPs gelangen in die UNRRA-Lager in Bad Kreuznach und Niederlahnstein.
Text Klaus Altmeyer
Ehem. Gefängniszellen für Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter 1941 (ab 1945 UNRRA-Lager), heute Keller des Kepler-Gymnasiums Lebach.