Zeitzeugengespräche mit Erna Herrmann 

Geboren am 13. November 1923 in Lebach

 

Zeitzeugengespräche am 1. Februar 2023 und 19. April 2023

Erna Herrmann berichtet von ihrer Zeit im Reservelazarett in Lebach. Das Reservelazarett war in der ehemaligen Kaserne (heute Johannes-Kepler-Gymnasium) ab 1941 untergebracht. Sie wurde dort 1942 als zivile Verwaltungskraft dienstverpflichtet. Ihre Hauptaufgabe bestand darin den Wehrsold der verwundeten Soldaten auszuzahlen. Am 11. September 1944 gab es in Lebach und Umgebung einen Phosphorangriff (Brandbomben) der Royal Air Force. Dabei kam unter anderem Kurt Köhler (geb. 05.04.1900 – verst. 11.09.1944), der als Zahlmeister in Fraulautern tätig war, ums Leben. Aufgrund der Phosphorbombe soll er nur noch so groß wie ein Baby gewesen sein. Frau Herrmann hatte die schwere Aufgabe der Witwe den privaten Nachlass auszuhändigen. Die Witwe kam mit einem Zug aus Dresden und war mehrere Tage mit dem Zug unterwegs. Sie übernachtete im Hotel Scherer in Lebach. Ihr Mann wurde auf der Kriegsgräberstätte in Lebach (Grab Nr. 4) beerdigt. Die Todesumstände und die Begegnung mit der Witwe hätten Sie damals schwer belastet und noch lange beschäftigt. Nach dem Phosphorangriff entschloss man sich das Reservelazarett nach Limburg/Lahn zu verlegen. Alle transportfähigen Männer sowie Krankenschwestern und Verwaltungsange-stellte kamen dort in einer leerstehenden Schule unter. Ende März 1945 eroberten und besetzten US-Truppen Gebiete und Orte zwischen Limburg und Weilburg. Ein amerikanischer Kommandant bezog mit seinen Soldaten in Limburg gegenüber der Schule sein Hauptquartier. Die mangelnde Versorgungslage im Lazarett blieb den Amerikanern nicht lange verborgen und so halfen sie des Öfteren mit Lebensmitteln aus. Auch im September 1945, als das Lazarett aufgelöst wurde, übernahmen sie den Rücktransport der sieben Mädchen nach Lebach. Man war ihnen zu tiefen Dank verpflichtet und behielt die amerikanischen Soldaten in guter Erinnerung.

 

Phosphorbombe

Phosphor ist ein chemisches Element und ist Hauptbestandteil von Brandbomben. Eine Phosphorbombe wird aus weißem Phosphor und Kautschuk hergestellt. Der weiße Phosphor entzündet sich selbst allein durch den Kontakt mit Sauerstoff und brennt mit einer 1.300 Grad Celsius heißen Flamme. Dabei entsteht weißer Rauch, der in größeren Mengen gesundheitsschädlich ist. Durch die Beimischung von Kautschukgelatine klebt der Phosphor auf der Haut seiner Opfer und verursacht dort drittgradige Verbrennungen, zum Teil bis auf die Knochen. Die Phosphorbombe wurde bereits im Ersten Weltkrieg entdeckt und als Brandbombe eingesetzt, kam jedoch erst im Zweiten Weltkrieg im großen Stil zum Einsatz. Der Einsatz von Brandwaffen gegen die Zivilbevölkerung ist bereits seit 1977 durch ein Zusatzprotokoll des Genfer Abkommens von 1949 verboten, doch Menschenrechtsbeauftragte decken immer wieder Einsätze mit Phosphorbomben auf. Jüngstes Beispiel sind mehrere russische Phosphorangriffe auf die Ukraine. 

 

Rheinüberquerung der US-Armee März 1945

Nach der unverhofften Einnahme der Brücke von Remagen am 7. März 1945 war es den US-Truppen gelungen einen Brückenkopf auf der rechten Rheinseite zu errichten. Daraufhin hatte das Oberkommando der Alliierten entschieden, den Ausbruch aus dem Brückenkopf von Remagen und den »Sprung über den Rhein« südlich von Koblenz und südlich von Mainz in koordinierten Operationen zu einem Zeitpunkt nach dem 22. März 1945 zu starten. Zeitgleich sollten alliierte Truppen nördlich des Ruhrgebiets bei Wesel ebenfalls den Rhein überschreiten und einen weiteren Brückenkopf bilden.

Zwischen dem 22. und 24. März gelangen den US-Truppen Rheinüberquerungen bei Nierstein/Oppenheim, südlich von Mainz und bei St. Goar/Boppard südlich von Koblenz. Am 24. März startete der Ausbruch aus dem Brückenkopf von Remagen in das Gebiet zwischen den Flüssen Sieg und Lahn. Damit begann das, was später von den Westalliierten als »das Rennen durch Deutschland« bezeichnet wurde und in sechs Wochen den 2. Weltkrieg in Europa beendete.

Die Eroberung und Besetzung der Gebiete und Orte zwischen Limburg und Weilburg durch Truppen der US-Armee erfolgte zwischen dem 26. und 30. März 1945 im Laufe der Operationen nach dem Ausbruch aus dem Brückenkopf von Remagen und der Überquerung des Rheins südlich von Koblenz.

Der heutige Kreis Limburg-Weilburg lag dabei zwischen zwei Hauptangriffszielen der Alliierten, das Ruhrgebiet im Norden und das Rhein-Main-Gebiet im Süden. Dabei war die Lahn weitestgehend die Grenze zwischen der 1. US-Armee (nördlich) und der 3. US-Armee (südlich).

 

Foto: Truppen der 9. US-Panzerdivision auf dem Weg Richtung Limburg, März 1945. – wikipedia

Foto: Erna Herrmann, vorne, 3. Von links, Limburg Sommer 1945.

Foto: Erna Herrmann, Limburg Sommer 1945.

Foto: Erna Herrmann, Besuch des Weihbischofs Bernhard Stein, September 1944, Erna Herrmann steht hinter dem Kinderwagen.